Pädagogische Hochschulen? „Das sind Luftschlösser“

Bild: In diesem Gebäude in Halle-Kröllwitz befand sich bis 1993 die Pädagogische Hochschule Halle-Köthen „N.K. Krupskaja“. Heute beherbergt es das Bildungshaus Riesenklein.

Im Juni wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag und für die CDU scheint der Wahlkampf schon anzulaufen: Vor einigen Wochen haben Politiker:innen der Landespartei den Entwurf für das Wahlprogramm abgeschlossen. Einer der notierten Ansätze: Die Gründung von Pädagogischen Hochschulen in Sachsen-Anhalt, an denen zukünftig Lehrkräfte ausgebildet werden sollen. Das ist eigentlich nichts Neues, bis 1993 gab es auch hier in Halle eine solche Pädagogische Hochschule. Die ist dann 1993 in der Universität aufgegangen. Und was hält die nun von dem Vorschlag der CDU? Burkhard aus der Studierenden-Redaktion hat nachgefragt.

Pädagogische Hochschulen? „Das sind Luftschlösser“

Deutschlandweit, im Osten wie im Westen, fand die Lehrerbildung bis in die siebziger Jahre flächendeckend an Pädagogischen Hochschulen statt. Auch die Pädagogische Hochschule Halle-Köthen „N.K. Krupskaja“ bildete Generationen von Lehrer:innen aus, bevor sie 1993 in der Universität Halle aufging. Die vollständige Übergabe der Lehrerbildung an die Universitäten basierte auf einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz und kam bis auf Baden-Württemberg in allen Bundesländern zur Umsetzung. Die CDU Sachsen-Anhalt holt das Modell der Pädagogischen Hochschule nun wieder hervor.

Mehr Lehrer:innen braucht das Land

Im Entwurf des CDU-Wahlprogramms zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Juni 2021 finden sich drei Seiten zum Thema Bildungspolitik. Eine Maßnahme zur Behebung des massiven Lehrkräftemangels im Land könne demnach die Gründung Pädagogischer Hochschulen darstellen. Darüber berichtete Mitte Januar die Mitteldeutsche Zeitung. „Wir können davon ausgehen, dass pro Jahr nur zehn Chemielehrer überhaupt immatrikuliert werden. Auf der anderen Seite gibt es einen Bedarf, der bei 50 Absolventen liegt, wir brauchen also jährlich 50“, rechnet Dr. Siegfried Eisenmann vor, CDU-Bildungspolitiker und Direktor des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA). Sachsen-Anhalt bildet seit Jahren zu wenig neue Lehrkräfte aus. Im August 2020 waren rund 500 Lehrer:innenstellen im Land unbesetzt und von den 1000 in dem Jahr neu eingestellten Lehrkräften hatte nur die Hälfte tatsächlich ein Lehramtsstudium absolviert.

Aber können Pädagogische Hochschulen tatsächlich die Universitäten entlasten? Prof. Georg Maas, Direktor des Zentrums für Lehrerbildung an der Uni Halle, zieht das in Zweifel: „Wenn keine Menschen da sind, die wir gewinnen können, wird das auch eine PH nicht ändern können. Wir haben viele Studiengänge, die wir gar nicht voll bekommen.“ Das betreffe gerade MINT-Fächer wie Chemie.

Rund 800 Plätze hält die Uni Halle jedes Jahr für neue Lehramtsstudierende bereit. Vor wenigen Wochen erst einigten sich Universität und Land darauf, die Kapazitäten künftig auf 1000 Plätze aufzustocken. In dem CDU-Papier ist nun die Forderung nach jährlich 1200 Plätzen enthalten. „Das Absurde ist, dass das Bildungsministerium mit am Tisch gesessen hat, als wir die Zielvereinbarung zur Lehrerbildung abgeschlossen haben. Dass jetzt sozusagen diese ausgestreckte Hand von sich gewiesen wird, empfinde ich persönlich schon als Affront“, so  Maas in Bezug auf den Vorstoß mit der Pädagogischen Hochschule.

Gründung oder Ausgründung?

Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete am 16. Januar auch über eine mögliche  Herauslösung des Sekundar-, Förder- und Grundschullehramts aus den Universitäten zugunsten Pädagogischer Hochschulen. Nur noch die Gymnasial-und Berufsschullehrkräfte würden dann noch an den Universitäten Magdeburg und Halle ausgebildet werden. Hendrik Lange, hochschulpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Magdeburger Landtag, kritisiert: „Damit ist zukünftig auch wieder eine unterschiedliche Bezahlung der Lehrkräfte stärker begründbar. Und das ist das einzige Interesse, was die CDU an der Stelle hat: Lehrer erster Klasse und zweiter Klasse auszubilden.“ CDU-Politiker Eisenmann weist den Vorwurf zurück: Eine Herauslösung der Lehrerbildung aus den Universitäten sei in dem Entwurfspapier nicht enthalten. Er würde diese zudem „auch nicht von vornherein sehen wollen.“

Rektor Tietje sieht allerdings grundsätzlich kein Potenzial in der Gründung Pädagogischer Hochschulen in Sachsen-Anhalt: „Das geht an der Realität vorbei.“ Alleine die Errichtung einer oder mehrerer solcher Institutionen dauere drei bis fünf Jahre und erst nach weiteren sieben Jahren seien die ersten Absolvent:innen mit Studium und Referendariat einsatzbereit für den Schuldienst. „Auf den Punkt gebracht sind das Luftschlösser und Träume im Hinblick auf die Lösung einer gegenwärtig existierenden Misere, die  ausschließlich politisch zu verantworten ist, weil man sich nicht frühzeitig um den Nachwuchs in den Schulen gekümmert hat“, so Tietje.

Im März will die CDU Sachsen-Anhalt ihr endgültiges Wahlprogramm auf einem Parteitag beschließen. Siegfried Eisenmann rechnet insbesondere im Bildungsbereich mit etlichen Änderungsanträgen und betont, dass die Idee der Pädagogischen Hochschule nur eine unter vielen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels sei. Die Stimmung zwischen Universität und  Bildungsministerium scheint dennoch deutlich abgekühlt zu sein: Gespräche gab es seit dem Zeitungsbericht Mitte Januar keine.

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